Freitag, 13. März 2009

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Sie telefoniert. Ich beginne, die Serviette vor mir in kleine Futzerl zu reißen und sie mit den Futzerln zu bewerfen. Sie rächt sich sofort mit größeren Futzerln, während sie telefoniert. Eines meiner Futzerl trifft sogar in ihren Ausschnitt und sie sieht mich, mit dem Handy am Ohr, überrascht an und nimmt sofort das allergrößte Futzerl das sie findet. (Es ist eigentlich fast die ganze Serviette) Als wir gegangen sind, sagt sie, dass ich den ganzen Tag so gemein bin, und das, obwohl sie eh so müde ist. Die letzten beiden Stunden beschwerte sie sich schon darüber, dass es regnet, und das, obwohl sie eh so müde ist, dass ein großer, schwerer Regentropfen sie direkt am Augenlid traf , und das, obwohl sie eh so müde ist, dass wir herumlatschen müssen, und das, obwohl sie eh so müde ist. Jedes mal nach einem "...obwohl ich eh heute so müde bin" schafft sie es vielleicht drei Sekunden lang, ernst dreinzuschaun bevor sie zu lächeln beginnt und mich ansieht. Irgendwann mal werd ich noch mal einfach tot umfallen wenn sie das tut. Ich kann mir das richtig vorstellen: Noch einmal dieses Lächeln und Bamm - ich liege da und rühr mich nicht mehr.
Herzinfarkt aufgrund von Verstrahlung durch umwerfendes Lächeln.
Dann muss sie mich wiederbeleben - und das, obwohl sie eh so müde ist.

Als wir uns verabschieden, sagt sie diesen Satz, den ich ihr immer sage. Beim ersten Mal war das glaube ich, als ich sie im Krankenhaus besuchte, vor einem Jahr. "Halt die Ohren steif", lautet dieser Satz. Keine Ahnung wie ich darauf gekommen bin damals, aber seitdem ist das wohl sowas wie unserer kleiner persönlicher Trost-Satz. Der Ich-verabschiede-mich-jetzt-aber-du-stehst-das-was-vor-dir-liegt-schon-durch-auch-wenn-ich-gerade-nicht-da-bin-denn-ich-denke-an-dich-Satz. Ich stehe auf. Sie sitzt und winkt mir zu. Ich winke zurück. Einer von uns beiden schickt dem anderen, wenn wir dann ein paar Minuten alleine sind unter der Menschenmenge, nach solchen Verabschiedungen meistens noch eine SMS - warum, das weiß ich auch nicht. Vermutlich, weil wir uns nie wirklich fertig voneinander verabschiedet fühlen. Die SMS kommt, als ich in der anderen U-Bahn sitze.

Ja, ich versuchs. Ohne dich ist das schwer, aber ich halt die Ohren steif, dirzuliebe. Weil du es mir gesagt hast. Weil du dort gesessen bist und mir gewunken hast, während ich aufstand und zurückgewunken habe. Während mir deine Stimme, die den Satz sagt, im Kopf blieb und Trost spendete. Den ganzen, verdammten Freitag den Dreizehnten.

Donnerstag, 5. Februar 2009

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Das ist es. Ich hab die Lösung gefunden. Sie ist die einzige, die mir langsam aber sicher einfällt und sie ist simpel und gut:
Ich werde einfach Alkoholiker.
Ja, so einfach ist das. Ich gehe arbeiten und Ehemann und einkaufen mit Ehemann und Romantikwochenende mit Ehemann und Familie mit Ehemann und sich total scharf anziehen und mit mir zum Billa gehen und dann heim zum Ehemann und dann daheim verrückt werden vor Kummer, jeden einzelnen Tag. Gerade noch bis zur Haustür schaff ich es fast immer, bis ich dann am Boden kauere im Vorzimmer, mit Jacke und Schal und Rucksack noch in irgendeiner Form auf meinem Körper.
DANN kommt ab jetzt der Alkohol ins Spiel.
Es ist schon alles wurschter, wenn man betrunken ist. Ich merke es gerade. Also werd ich mich einfach regelmäßig ansaufen. Mir egal in welcher Form. Ist nicht so als würde sich irgendwer dafür interessieren, ob ich mich ansaufe oder nicht. Ob ich mich alleine ansaufe, in der Wohnung, oder ob ich mich in der Gruppe ansaufe. Mich eigentlich am allerwenigsten, hab ich gerade festgestellt. Genauso ist es ja auch nicht so als würde sich auch nur irgendwer für irgendwas interessieren, was ich so tue, hier in dieser schönen wunderbaren grauen dreckingen verkommenen Riesenstadt in der alles und jeder scheiße ist. Es gibt keine Gruppe.
Nachdem ich eh nix vertrage wird das ganze Unterfangen auch billig.
Wow, das ist eigentlich eine ziemlich einfache Idee. Aber sie funktioniert schon mal im Ansatz ziemlich gut. Auch das merk ich gerade.
Dann hab ich etwas, auf was ich mich freuen kann. Nach der Arbeit betrunken sein. Alles, was ich tagtäglich erlebe, wo ich am liebsten schreiend davonlaufen würde, aber so tun muss als wäre alles großartig und schön, alles woran ich so denke wenn ich dort bin oder schon daheim bin wird dann letzten Endes wurscht sein. Alle Menschen werden wurscht sein. Denn ich werde durch einen dichten Nebel von Alkohol nichts mehr erkennen.
Ich hätte schon viel früher draufkommen sollen. Klar, irgendwann ist jeder Rausch aus und ich bin wieder in der dämlichen Realität, aber danach werde ich auch wieder mal wieder irgendwann betrunken sein und darauf muss ich halt hinarbeiten. Das ist dann mein Trost. Damit ich irgendetwas habe worauf ich hinarbeiten kann. Um nicht vollkommen verrückt zu werden.
Ich bin der geborene Verlierer, also werde ich das machen was wir Verlierer immer tun: Wir scheißen drauf und trinken.

Was für ein Tag. Ein Tag, an dem man endlich Erkenntnisse hat, ist ein guter Tag.

Sonntag, 4. Januar 2009

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2009 also. Zu Weihnachten sehr viel Familie. Und irgendwie sentimental. Und Silvester nicht schlecht, sturzbetrunken.

Fotos von London. Sie vermeidet es, Fotos zu zeigen auf denen jemand zu sehen ist. Die Weihnachtsbeleuchtung am Schwedenplatz leuchtet, während sie links von mir mit der Beleuchtung um die Wette leuchtet. Sie strahlt. Sie hat eine Kapuze auf wegen der Kälte, aber ich sehe trotzdem ihr Gesicht. Sie lacht. Endlich scheint es ihr besser zu gehen. Das ist wie ein nachträgliches Weihnachtsgeschenk.

Wie schon tausendmal zuvor nimmt mein Zufriedenheitsgefühl, meine gute Laune mehr ab, je länger es her ist dass ich mich von ihr verabschiedet habe. Solange sie neben mir geht, mir gegenüber sitzt, ist es schön. Gut. Wir sind zu zweit, wir sind das alte Team, wir reden, wir hören zu, wir wünschen einander das Beste, wir streiten, wir ziehen uns gegenseitig auf, wir schütteln den Kopf über den anderen à la "bei dir ist Hopfen und Malz verloren" - wir kommen rüber wie ein altes Ehepaar. Wir haben diese... Sache. Dieses Etwas, diese Beziehung zueinander. Die uns irgendwie nicht voneinander loskommen lässt. Ich brauche sie und sie braucht mich. Auf die eine oder andere Art und Weise.
Aber ich muss immer wieder weggehen von ihr. Und das ist es erst, was so... grauslich ist. Einsamkeit. Wie es wieder sein wird wenn ich sie eines Tages dann nicht mehr täglich sehe, das weiß ich nicht. Daran will ich einfach nicht denken.

Egal wie dieses Spiel ausgeht, wie es weitergeht im neuen Jahr - ich bin auf keinem Fall der Gewinner. Aber das macht nichts, ich habe es jetzt kapiert. Ich bin kein Gewinnertyp. Ich kriege nie das Mädchen. Am allerwenigsten sie, denn sie ist die Traumfrau. Die Frau, die dir das Gefühl gibt, es muss wohl doch sowas wie einen Gott geben, denn wer sonst könnte jemanden wie sie erschaffen. Etwas in ihr ist oft zerbrochen, kaputt wegen dem was ihr alles passiert ist, sie ist... ein tragischer Charakter in diesem Spiel. Ich will sie immer wieder versuchen hinzubiegen, hinzukriegen. Sie ist die Superlative, die man nicht vergessen kann, die es schwer bis unmöglich macht, an jemand anderen zu denken als an sie. Und es passt wie die Faust aufs Auge, dass diese Superlative, diese Traumfrau natürlich vergeben ist. Das wird sich nicht ändern, wie sehr ich auch kämpfen mag um sie - und ich habe 2008 mal um sie gekämpft, obwohl ich wusste dass es vergebens ist.

Alles andere wäre auch Glück. Glück braucht man, um zu gewinnen. Und gewinnen ist nicht so mein Ding.

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