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Sie telefoniert. Ich beginne, die Serviette vor mir in kleine Futzerl zu reißen und sie mit den Futzerln zu bewerfen. Sie rächt sich sofort mit größeren Futzerln, während sie telefoniert. Eines meiner Futzerl trifft sogar in ihren Ausschnitt und sie sieht mich, mit dem Handy am Ohr, überrascht an und nimmt sofort das allergrößte Futzerl das sie findet. (Es ist eigentlich fast die ganze Serviette) Als wir gegangen sind, sagt sie, dass ich den ganzen Tag so gemein bin, und das, obwohl sie eh so müde ist. Die letzten beiden Stunden beschwerte sie sich schon darüber, dass es regnet, und das, obwohl sie eh so müde ist, dass ein großer, schwerer Regentropfen sie direkt am Augenlid traf , und das, obwohl sie eh so müde ist, dass wir herumlatschen müssen, und das, obwohl sie eh so müde ist. Jedes mal nach einem "...obwohl ich eh heute so müde bin" schafft sie es vielleicht drei Sekunden lang, ernst dreinzuschaun bevor sie zu lächeln beginnt und mich ansieht. Irgendwann mal werd ich noch mal einfach tot umfallen wenn sie das tut. Ich kann mir das richtig vorstellen: Noch einmal dieses Lächeln und Bamm - ich liege da und rühr mich nicht mehr.
Herzinfarkt aufgrund von Verstrahlung durch umwerfendes Lächeln.
Dann muss sie mich wiederbeleben - und das, obwohl sie eh so müde ist.

Als wir uns verabschieden, sagt sie diesen Satz, den ich ihr immer sage. Beim ersten Mal war das glaube ich, als ich sie im Krankenhaus besuchte, vor einem Jahr. "Halt die Ohren steif", lautet dieser Satz. Keine Ahnung wie ich darauf gekommen bin damals, aber seitdem ist das wohl sowas wie unserer kleiner persönlicher Trost-Satz. Der Ich-verabschiede-mich-jetzt-aber-du-stehst-das-was-vor-dir-liegt-schon-durch-auch-wenn-ich-gerade-nicht-da-bin-denn-ich-denke-an-dich-Satz. Ich stehe auf. Sie sitzt und winkt mir zu. Ich winke zurück. Einer von uns beiden schickt dem anderen, wenn wir dann ein paar Minuten alleine sind unter der Menschenmenge, nach solchen Verabschiedungen meistens noch eine SMS - warum, das weiß ich auch nicht. Vermutlich, weil wir uns nie wirklich fertig voneinander verabschiedet fühlen. Die SMS kommt, als ich in der anderen U-Bahn sitze.

Ja, ich versuchs. Ohne dich ist das schwer, aber ich halt die Ohren steif, dirzuliebe. Weil du es mir gesagt hast. Weil du dort gesessen bist und mir gewunken hast, während ich aufstand und zurückgewunken habe. Während mir deine Stimme, die den Satz sagt, im Kopf blieb und Trost spendete. Den ganzen, verdammten Freitag den Dreizehnten.

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